Kunst in Düsseldorf Teil 3: Kunstgenuss bei Spaziergängen

Kunst lässt sich in Düsseldorf nicht nur in Museen und Galerien erleben, sondern offenbart sich auch bei Stadtspaziergängen auf Schritt und Tritt. In fast jedem Stadtteil der Rheinmetropole finden sich bemerkenswerte Kunstwerke, die es wert sind, dass man seine Erkundungstour oder den Spaziergang eine Weile unterbricht und im Betrachten inne hält. Wir stellen hier vier dieser „Kunst-Haltestationen“ vor, die sich im Norden der Stadt, in ihrem Süden und auch mitten in Düsseldorf befinden.
Der Nordpark und seine Skulpturen

Der ungefähr 36 Hektar große Nordpark liegt – wie ja der Name schon vermuten lässt – in Düsseldorfs Norden, im Stadtteil Stockum. Er besticht nicht nur durch seine Gartenkunst und Wasserspiele, sondern auch durch die zahlreichen Skulpturen, die sich im Grün des Parks verteilt finden lassen. Unübersehbar sind allein schon die zwei mächtigen „Rossebändiger“, die sich am Haupteingang des Nordparks befinden. Der Park wurde bereits 1936/37 angelegt, sollte dort doch die nationalsozialistische Propaganda-Veranstaltung „Schaffendes Volk“ stattfinden. Dafür wurden auch diese beiden Skulpturen in Auftrag gegeben. Sie zeigen jeweils ein gewaltiges und stolzes Ross, das den Kopf gen Himmel reckt und sich der menschlichen Hand, die es zu halten sucht, entzieht. Der nackte Mann neben ihm kann es eigentlich nicht zügeln, das Tier ist dem Menschen ebenbürtig. Erschaffen wurden sie von dem Bildhauer und Grafiker Edwin Scharff, der zu diesem Zeitpunkt als Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf arbeitete und bereits auf eine lange und fruchtbare Karriere als Künstler sowie auf eine erfolgreiche Laufbahn als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin zurückblicken konnte. Scharff gestaltete hauptsächlich Denkmäler und Büsten, zumeist in öffentlichen Auftrag. Bereits während des Entstehungsprozesses der Düsseldorfer „Rossebändiger“ kam es immer wieder zu Streitereien und Verzögerungen. Zur Eröffnung des Parks waren sie schließlich auch nicht fertig. Vollendung erfuhren sie erst 1940. Zu dieser Zeit jedoch war Edwin Scharff bereits als entarteter Künstler diffamiert und der Kunstakademie verwiesen worden. Dieses Berufsverbot gründete sich eigentlich auf einen Fehler, wurden doch Fotos seiner „Rossebändiger“ nur versehentlich bei der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. Sein Ruf jedoch war ruiniert. Dass die „Rossebändiger“ nicht entfernt wurden, liegt tatsächlich an ihrer unglaublichen, steinernen Masse. Sie scheinen gemacht für die Ewigkeit und erinnern an dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte.
Hat man den Eingang mit den „Rossebändigern“ passiert und den Nordpark betreten, finden sich noch unzählige andere Skulpturen in seinen grünen Weiten. Neben Skulpturen der „Ständischen“ aus den 1930er Jahren, die wie die „Rossebändiger“ für die Ausstellung „Schaffendes Volk“ in Auftrag gegeben worden waren, sind im Park auch zeitgenössische Skulpturen zu entdecken. Sie wurden ab den 1960er Jahren hier platziert.

Edwin Scharff, Rossebändiger

Edwin Scharff, Rossebändiger, 1940 – photo: Jessica Koch

Der Nagel am Kö-Bogen

Die prestigeträchtige Düsseldorfer Einkaufsmeile „Kö“ endet am Rande des Hofgartens mit dem von Star-Architekten Daniel Libeskind gestalteten Kö-Bogen, einem modernen, schimmernden Gebäudekomplex mit Cafés, Geschäften und Büros. Zwischen Kö-Bogen und der Landskrone, einem Teich des schönen Hofgartens, ragt ein riesiger, knapp zwei Meter hoher, Nagel schief aus dem glatten Boden. Enthüllt wurde der Nagel erst im November 2013, doch wirkt er jetzt schon, dank des matten Materials, als würde er dort schon seit Jahren stehen. Die tonnenschwere Bronzeskulptur stammt von dem Maler, Licht- und Objektkünstler Günther Uecker, der von 1975 bis 1995 ebenfalls an der Düsseldorfer Kunstakademie als Professor tätig war und in den 1950er Jahren dort selbst auch studiert hatte. Uecker ist für seine „Nagelbilder“ – reliefartige Werke, die mit Licht und Schatten spielen – bekannt geworden. Auch Möbel mit eben diesen Nagelreliefs entstanden im Laufe der Jahre. Günther Uecker war ab 1961 neben Otto Piene und Heinz Mack Mitglied der Künstlergruppe ZERO. Diese wollte nach dem Zweiten Weltkrieg, der auch in der Kunstwelt eine Zäsur gefordert hatte, quasi wieder bei null anfangen. Standort der Gruppe, deren Mitglieder an der Kunstakademie studiert hatten, war natürlich Düsseldorf.
Ueckers Nagel-Skulptur am Kö-Bogen ist zugleich ein selbst geschaffenes Denkmal für den Künstler, andererseits soll er als Erinnerung an die industrielle Tradition an Rhein und Ruhr dienen. Dies kündet eine kleine Tafel, eingelassen im Boden neben der Skulptur: „Ein Nagel mit Kopf, eingeschlagen, erinnernd an die Gründung industrieller Entwicklung, am Ort des Aufbruchs in ein neues Zeitalter, am Arbeitsplatz der größten Bevölkerungsdichte in Europa, der Vermählung von Kohle und Stahl.“

Uecker, Nagel

Günther Uecker, Nagel – photo: Jessica Koch

Die Düsseldorfer „Säulenheiligen“

Es lohnt sich natürlich immer mit offenen Augen durch Düsseldorf zu flanieren, doch sollte man dabei den Blick ab und an auch einmal nach oben schweifen lassen. Erst so entdeckt man sie nämlich – die Düsseldorfer „Säulenheiligen“, die auf Litfaßsäulen, kreuz und quer im Düsseldorfer Stadtgebiet verteilt, zu finden sind. Neun Stück gibt es von ihnen – wo sie stehen, soll aber jeder Düsseldorf-Besucher selbst herausbekommen! Als kleiner Tipp: in der Altstadt sollte man die bunten Werbesäulen schon von unten nach oben inspizieren.
Von 2001 bis 2007 arbeitete der Künstler Christoph Pöggeler an seinem Projekt der „Säulenheiligen“ und so erschuf er überaus realistische Skulpturen von Alltagsmenschen, die auf einer Litfaßsäule in Szene gesetzt und gen Himmel erhoben wurden. Inspiriert wurde er von historischen Vorbildern und der Tradition des Säulenstehens, die sich im 4. und 5. Jahrhundert zu entwickeln begann. Auf einer kleinen Plattform oben auf einer Säule versuchten Mönche nicht nur Gott näher zu sein, sondern suchten derart dem Irdischen enthoben auch nach Einkehr und Andacht.
Die wirklichkeitsgetreuen Abbildungen auf den Düsseldorfer Litfaßsäulen aber zeigen keine religiösen Figuren, sondern Menschen jeglichen Alters, Herkunft oder Berufs. Ein Kind auf dem Arm seiner Mutter zum Beispiel oder ein junges, sich küssendes Liebespaar oder ein Mann in Badeshorts – Pöggeler hat Skulpturen erschaffen, die das Leben von Menschen wie Du und Ich verkörpern. Und solche Leute werden normalerweise nicht auf Podeste gestellt oder gen Himmel erhoben. Der Künstler sagt dazu: „Das Projekt Säulenheilige hebt solche Menschen auf einen Sockel, stellt sie über die oft allzu glatte Werbewelt, zeigt ihre Normalität aber auch ihr Mysterium, das im Alltäglichen zu suchen ist.“ (www.christoph-poeggeler.de/skulptur/saeulenheilige-essay-christoph-poeggeler)

Christoph Pöggeler, Säuelnheilige

Christoph Pöggeler, Säulenheilige, 2007 – photo: Jessica Koch

Die Flossis an der Hauswand

Das alte Hafenviertel in Unterbilk ist mittlerweile zum trendy Medienhafen und zu einer Art Freilichtmuseum geworden. Denn hier findet sich nicht nur das neue Medienquartier für die Werbe- oder Modebranche, sondern auch atemberaubende zeitgenössische Architektur von Frank Gehry. Auch die auffallend bunten Flossis, die eine Hausfassade empor klettern und das Gebäude zu dem ihren machen, besiedeln den Medienhafen und verleihen ihm sein Gesicht. Erschaffen wurden die knallbunten Gesellen aus Kunststoff von der Stuttgarter Künstlerin Gudrun Müller, besser bekannt als rosalie.
Ihren Namen bekamen die fröhlichen, teilweise über vier Meter großen Figuren wohl von ihren flossen-ähnlichen, großen Patschhänden und Füßen – sie scheinen dem Rhein entstiegen und sind nun dabei, das Roggendorf-Haus zu erobern. Teils ziehen sie sich scheinbar die Fassade hoch, während andere schon oben auf dem ehemaligen Speichergebäude sitzen. rosalie erschuf die Flossis 1998 für die Eröffnung des Deutschen Kunststoff-Museums im NRW-Forum, dessen Fassade sie damals für sich einnahmen. Nachdem die Ausstellung „Kunst und Kunststoff“ zu Ende ging, wollte man sich in Düsseldorf nicht von den liebgewonnenen Flossis trennen – und so blieben sie also in der Stadt am Rhein. Seit 2002 klettern die Figuren, jede ein Unikat, die Hauswand im Medienhafen hoch und sind zu einem bekannten und farbenfrohen Wahrzeichen des Medienhafens und auch ein bisschen von Düsseldorf geworden.
29 Flossis sind es übrigens, die das Roggendorf-Haus erobern. Zählen Sie doch mal nach – und wenn Sie dann nur auf 28 kommen, haben Sie sich nicht verzählt. Nummer 29 versteckt sich, suchen Sie doch mal!

Rosalie, Flossis

Gudrun Müller (Rosalie), Flossis, 1998 – photo: Jessica Koch

Im nächsten Teil unserer Eroberung der Kunstmetropole Düsseldorf machen wir einen Ausflug nach Oberkassel und zur Julia Stoschek Collection.

Christoffer Wilhelm Eckersberg, San Lorenzo fuori le mura, 1824 - ©Public domain
Franz Marc, Im Regen, 1912

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