Claude Monet, Frühstück um 1873

Monet – Eine Liebesgeschichte

Dieses Mal besuchte Jessica die Ausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ im Städel Museum Frankfurt.


Es war einmal vor langer Zeit – und zwar zu einer Zeit, als mein Hirn noch nicht mit kunsthistorischen Diskursen und kunsttheoretischen Diskussionen beschäftigt war und ein Bild noch ein Bild war und es mir entweder gefiel oder eben nicht – also, zu dieser Zeit jedenfalls geschah es, dass ich mich in die Gemälde von Claude Monet verliebte.

Damals verliebte ich mich in seine Bilder, weil sie einfach schön waren. Monets Kunst macht es einem leicht, sich zu verlieben. Man braucht keine Erklärungen um sie zu verstehen, kein besonderes Wissen um sie zu genießen. Heute aber weiß ich mehr über Monet, über sein Werk, über den Impressionismus, über seine Weggefährten und all diese Kenntnisse fließen jetzt immer mit ein, wenn ich seine Gemälde betrachte. Und so sehe ich seine Werke tatsächlich mit anderen Augen. Die Schönheit allein ist nicht mehr das Einzige, was jetzt fasziniert.

Das Städel Museum in Frankfurt zeigt momentan in einer großen und großartigen Ausstellung über 100 impressionistische Gemälde nicht nur von Monet, sondern auch von Renoir, Degas, Morisot, Sisley und Pissarro. „Monet und die Geburt des Impressionismus“, so der Titel der Schau, vermittelt mit Hilfe der Kunstwerke die Entstehungsgeschichte dieser Kunstrichtung. Dabei geht man auf die historischen Voraussetzungen für die Entwicklung des Impressionismus ebenso ein, wie auf seine Rezeption im 19. Jahrhundert. Die Ausstellung ist jedoch nicht als Lehrstück konzipiert, sondern hauptsächlich als Seherlebnis, als ein Fest für die Augen. Man kann hinter die schöne Oberfläche blicken, man muss es aber nicht.

Als Claude Monet auf die Bühne der französischen Kunstwelt trat, brachte er frischen Wind mit, der Altes und Etabliertes kräftig durchrütteln sollte. Er wandte sich bewusst von der Malerei ab, die im berühmten Salon ausgestellt und gepriesen wurde und machte so den ersten Schritt auf dem Weg zu einer neuen und modernen Kunst. Aber wie es so ist mit dem Neuen und Innovativen – es wird zuerst oftmals abgelehnt. Monets Werke und die der anderen Impressionisten wurden nicht nur als skandalös betrachtet, sondern sogar als hässlich und abstoßend. Ihre erste große Ausstellung im Jahre 1874 beschrieb ein bekannter Kunstkritiker jener Zeit sogar als „Museum der Abscheulichkeiten“.

Claude Monet, Sommer, 1874

Claude Monet, Sommer, 1874 – photo: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Monet malte mit leuchtenden Farben und scheinbar mit dem Licht selbst. Seine Pinselstriche sind deutlich sichtbar, schwungvoll und leidenschaftlich. Er fing in seinen Bildern die Sonnenstrahlen ein, den Wind, der durch die Getreidefelder weht, den Duft der Blumen in seinem Garten und er schaffte es, die flüchtigen Reflektionen der Bäume und Wolken auf der Wasseroberfläche zu verewigen. Seine Landschaftsbilder sprechen alle Sinne an, machen das Naturerlebnis zu etwas Sinnlichen. Er fing Impressionen ein, die voller Atmosphäre und Leben sind. Monet malte aber auch das Stadtleben, die Architektur der Stadt und das lebhafte Treiben auf den Boulevards. Er war ein aufmerksamer Beobachter des Alltäglichen und nichts schien ihm zu trivial oder zu gering um es nicht in Öl auf die Leinwand zu bannen. Ein Beispiel dafür ist sein großformatiges Werk „Das Mittagessen“ von 1868. Es ist nur eines der Highlights in der Frankfurter Ausstellung und zugleich auch eine Attraktion, die das Städel in seiner eigenen Sammlung beheimatet. Das Gemälde zeigt noch nicht die lebhaften Farben, die für Monets Bilder so typisch geworden sind. Stattdessen ist es in dunkleren, zurückgenommenen Tönen gestaltet, die sogar an die Farbpalette der Bilder erinnern, die im Salon erfolgreich waren. Vom Thema her war Monet jedoch schon nicht mehr zurückhaltend. Er malte eine alltägliche Szene des Familienlebens, seine Frau (die damals – Skandal! – noch gar nicht mit ihm verheiratet war) und der kleine Sohn beim Mittagessen. Der Tisch ist gedeckt, Brot und Eier gibt es. Der Stuhl des Malers ist noch leer, muss er doch diesen flüchtigen Alltagsmoment festhalten. Das Bild ist wie ein Schnappschuss, den man heute bei Instagram oder Facebook posten würde. Das Abbild eines scheinbar unwichtigen Moments, den man dennoch verewigen und teilen will.

Claude Monet, Das Mittagessen

Claude Monet, Le Déjeuner, 1868 – Foto: Städel Museum – ARTOTHEK – © Städel Museum, Frankfurt

Die Ausstellung im Frankfurter Städel macht deutlich, dass dieses Bild einen Wendepunkt in Monets Kunstschaffen darstellte. Ab jetzt werden seine Farben heller und leuchtender, seine Pinselstriche immer schneller und flüchtiger, so dass feine Details verschwimmen. Er malte immer mehr in der freien Natur und schuf Landschaften, die sich von den idealisierten Landschaften seiner Vorgänger deutlich absetzten. Er fing das Naturschauspiel an sich ein, Licht und Schatten, das Wetter, die Wolken und verewigte so flüchtige Impressionen und Augenblicke. Monet entwickelte nun die Malweise, die für den Impressionismus so typisch wurde. 1873 malte er wieder ein „Mittagessen“. Dieses Bild unterscheidet sich gehörig von seinem Vorgänger. Der Essenstisch befindet sich nun draußen, im Schatten eines Baumes, keine Wände wirken einengend, keine mysteriöse Frau in schwarz gibt Rätsel auf. Stattdessen strahlen die blühenden Blumen, die flanierenden Damen im Hintergrund tragen luftige, helle Sommerkleider, ein Strohhut baumelt fröhlich von einem Ast. Das Kind spielt gedankenverloren am Boden vor dem Esstisch. Die Atmosphäre ist gelöst, glücklich. Das Licht und die Natur sind Hauptakteure. Hier findet sich der Monet, in den ich mich einst verliebte. Und selbst jetzt berührt er mich in einer Weise, die keiner Erklärung, keines Wissens bedarf. Sollte es nicht darum in der Kunst gehen? Gefühle zu schaffen, zu berühren? Monet selbst fand dazu die besten Worte: „Jeder diskutiert über meine Kunst und denkt, dass er sie versteht, als wäre es notwendig, sie zu verstehen, wenn es doch nur notwendig ist zu lieben.“

 

Claude Monet, Frühstück um 1873

Claude Monet, Le déjeuner: panneau décoratif, 1873 – Foto: bpk, RMN – Grand Palais, Patrice Schmidt © Musée d’Orsay, legs de Gustave Caillebotte, 1894

Die Bilder, über die ich hier gesprochen habe und noch unzählige weitere Werke des Impressionismus kann man noch bis zum 21. Juni 2015 in der Ausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ im Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main, besichtigen.

Die Tickets sind auch online erhältlich: tickets.staedelmuseum.de

Jessica Koch


Titelbild: Claude Monet, Le Déjeuner, 1873 (Ausschnitt), Foto: bpk, RMN – Grand Palais, Patrice Schmidt © Musée d’Orsay, legs de Gustave Caillebotte, 1894

 

 

Auguste Renoir, Near the lake
Salvador Dali, Egg

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